Und wieder in Bolivien, diesmal eingeflogen aus Argentinien nach Cochabamba und nicht, wie beim letzten mal von Peru über das Altiplano entlang der Kulisse des atemberaubenden Titicaca Sees Richtung La Paz. Cochabamba, eine lebendige und doch übersichtliche Stadt mit rund 600.000 Einwohnern, die ich in der ersten Woche, direkt im Zentrum wohnend, erkunden konnte. Verrückter Verkehr, Handel auf jedem Meter Fußweg. An den Ecken wird frisch gepresster Organgensaft und jede Menge spezieller und meist leckerer Kleinigkeiten angeboten. Dann die riesigen Märkte, die einen für den ganzen Tag verschlingen können. Hier gibt es alles! Und kommt man am nächsten Tag wieder, so findet man immer wieder neue Gänge und Winkel – einfach nicht zu überschauen!
Die Stadt Cochabamba liegt auf 2500m im Hochland zwischen dem Altiplano (>3000m ü.NN) im Westen und dem tropischen Tiefland im Osten und Norden. Das Hochland ist eine typische semi-aride Zone. Jede Woche sieht man im Hintergrund der Stadt in den Bergen von Menschenhand gelegte Brände; die Berge sind nackt und auf dem Land ist das Bild von stark erodierenden Böden geprägt. Mitte Oktober, als ich ankam, sollte die Trockenzeit erfahrungsgemäß ihrem Ende zu gehen. Jetzt beginnt der Dezember und noch immer ist in vielen Regionen kein Niederschlag zu verzeichnen. Es herrscht akute Wasserknappheit. Dort wo es keine Bewässerung gibt, liegen die Felder brach. Schon längst müsste die Saat in der Erde sein. Das Vieh ist abgemagert und wird immer weiter in die Berge getrieben, um die letzten Futterquellen zu erschließen. Die Bauern betreiben temporale Migration ins tropische Tiefland und sogar in das umliegende Ausland, um eine ökonomische Überbrückung der Extremzeiten zu ermöglichen. Frauen und Kinder bleiben Monate allein zurück. Doch auch gibt es viele Initiativen für verschiedene Typen von Wasserreservoirs für die Bewässerung der Felder während der Trockenperiode und Felder in günstiger Lage zu Wasserläufen. So sieht man auch immer wieder Äcker mit Kartoffeln, Mais, Ackerbohnen oder Anis.
Zurück zu meiner ersten Zeit in Cochabamba. In der zweiten Woche habe ich ein Zimmer gemietet. Die Stadt ist voll von „Voluntarios“, Freiwilligen aus aller Welt, die auf Abenteuererfahrungsreise hier einen Beitrag in verschiedenartigsten NGO`s leisten. Meist kommen diese in WG – Häusern unter, wo sie teils mit Vollpension versorgt werden. Nachdem ich mir ein Bild von solchen Wohngelegenheiten mit sehr wenig südamerikanischem Ambiente gemacht habe, bin ich doch froh über meine Zimmerwahl. So wohne ich mit einer Bolivianerin und ihrem Neffen zusammen in einem entspannten Viertel, nicht weit vom AGRECOL Andes Büro. Die beiden Mitbewohner sind recht „moderne“ Bolivianer und somit ein Kontrastprogramm zu den Begegnungen mit der Landbevölkerung während meiner Reisen in der Projektregion.
Von Anfang an bin ich mehr in der Projektregion im Süden des Departaments Cochabamba unterwegs, als dass ich in Cochabamba selbst verweile. Durch meine Arbeit habe ich so eine einzigartige Möglichkeit, Landbevölkerung, Kultur, landwirtschaftliche Systeme und Entwicklungsproblematiken kennen zu lernen. Auf der ersten Fahrt in die Projektregion zu einem Treffen mit regionalen Partnerorganisationen und in Syndikaten organisierten Bauerngruppen, bekam ich einen ersten Eindruck darüber, wie stark die landwirtschaftlichen Syndikate das Leben auf dem Land beeinflussen und dass es ein großes politisches Interesse und eine starke politische Bestimmtheit innerhalb der Landbevölkerung gibt, die ungebrochen die aktuelle Regierung und die politische Linie des „Movimiento al Socialismo“ von Evo Morales unterstützt und sich mit dieser Bewegung identifiziert.
Im nächsten Eintrag gibt es dann mehr Berichte über meine Aufgaben im Praktikum!
6. Dezember 2010 um 20:19 |
Interessant zu lesen, Markus. Ich bin neugierig zu „hören“ was deine Arbeit ist. Bis zum nächsten Eintrag ….
6. Dezember 2010 um 21:58 |
Ein wirklich interessanter Bericht eines engagierten Westeuropäers aus einer Region, die mich schon seit meiner Schulzeit fasziniert.
Kein „Geo“-Geschmuse, keine journalistische Effekthascherei. Ich hoffe auf weitere informative Berichte die mich so positiv ansprechen.
Danke Markus Frank, mach weiter so!
Wolfgang E. Witter, Hamburg
7. Dezember 2010 um 07:29 |
Moin!
Finde es auch total spannend, was du dort erlebst. Vor allem die extremen Gegensätze zu Europa faszinieren mich! Ich hoffe für euch, dass die Trockenzeit bald zuende geht.
Ganz liebe Grüße aus Wien,
Uwe
7. Dezember 2010 um 19:16 |
ich finde den Bericht auch sehr interessant und gut geschrieben. Das bringt dir sicherlich ja auch etwas für die Zukunft.
Merci Matthias
8. Dezember 2010 um 17:58 |
Hola!
Was für ein Land! Sogar in den Fotos merkt man die Weite! Die Trockenheit! Die Farben! Die Menschen wirken zufrieden, obwohl das, was Du schreibst nicht grade nach einfachem Leben klingt. Würde Dich gerne besuchen. So gibts ein paar Wintergrüße aus dem kalten Hamburg!
9. Dezember 2010 um 07:44 |
Lieber Markus,
das sind eindrückliche Berichte!
Ich wünsche dir und den Bauernfamilien, dass ihnen nachhaltig etwas von deinen Besuchen erhalten bleibt!
Alles Gute – dein Bruder Ben
19. Januar 2011 um 11:57 |
Hola
braucht ihr da nicht auch Krankenschwester und Aerzte?
Danke fuer die Einblicke man kommt wohl sehr veraendert zurueck nach Europa
wenn man sowas erleben darf.
Wir freuen uns riesig auf euer Wiederkommen und auf ein Wiedersehen.
Danke auch fuer die Bilder
alles Liebe
Silke & Dieter