Rückblick und Abschied

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Im Kreis stehen zahlreiche Menschen, im Hintergrund läuft eine senegalesische Schnulze mit ordentlich Rhythmus und abwechslungsweise tritt jemand ins Innere des Kreises und tanzt, mehr oder weniger wild und gekonnt, einige Minuten oder auch nur Sekunden. Diese Szene gehört nicht etwa zu einer Samstagabendbeschäftigung von senegalesischen Teenagern oder einem Familienfest. Es ist der krönende Höhepunkt einer „Caravane de sensibilisation“ zu Themen der Nachhaltigkeit wie eine korrekte Entsorgung von Abfall, der Verzicht auf Pestizide oder einer gesunden Ernährung. Die Begeisterung der Teilnehmer wird spürbar als die Themen der Caravane in einem Sketch verpackt den Anwesenden vermittelt werden. Lautes Gelächter ertönt und es wird zustimmend genickt.

Solche Aktionen führt Agrecol immer wieder durch. Mitarbeiter der NGO touren durch verschiedene Dörfer und versuchen dort die Bewohner zu sensibilisieren und für die biologische Landwirtschaft zu gewinnen. Mich überzeugte vor allem die Art der Vermittlung. In der Schweiz wäre es undenkbar einen Kreis zu bilden und zu tanzen. Aber auch sonst werden solchen Veranstaltungen oft sehr enge Rahmen gesteckt. Ein anschliessender Apèro ist das Maximum um die Menschen für sich zu gewinnen. So ist die Herangehensweise in Senegal ganz anders und gemäss meinem Eindruck auch sehr erfolgsversprechend.

Einen Tag durfte ich einer Schulung einer neu gebildeten Produzentenvereinigung zum Thema Organisation, Struktur und Umgang miteinander in solchen Vereinigungen beiwohnen. Auch hier setzte man auf „Soft Factors“ wie ein gutes Essen, Tee und Bonbons für alle. Spontan gab es auch hier eine kleine Tanzeinlage von einem Mitglied der Vereinigung. Solche Schulungen werden auch immer mit einem Gebet begonnen und beendet. Für mich sehr ungewohnt aber hier schien es mir richtig am Platz zu sein. Der Hauptteil der Schulung lief aber ab wie ich es mir auch gewohnt bin. Man versuchte die Teilnehmer einzubeziehen und Lösungen partizipativ zu erarbeiten. Flipcharts wurden vollgeschrieben und Plakate erläutert.

Zum Jahresbeginn veranstaltet Agrecol eine Strategiesitzung mit allen Mitarbeitern. Hauptthema war wohin Agrecol in den nächsten Jahren steuern soll. Nach einem kurzen Rückblick auf das vergangene Jahr wurde ein kurzer Abriss gegeben der verschiedenen Stationen in Agrecols Geschichte um anschliessend auf die Zukunft zu sprechen zu kommen. Die Rolle eines Unternehmens wie Agrecol ist nicht immer einfach. Einerseits stammen die Geldgeber aus dem Norden und wollen ihre Ideen und Projekte verwirklicht sehen. Andererseits ist Agrecol viel näher am Geschehen, hat selbst Ideen und Vorschläge für Projekte und Vorgehensweisen. Soll Agrecol weiterhin als Dienstleister tätig sein oder versuchen selbstständiger zu werden und vermehrt mit eigenen Vorschlägen auf die Partner im Norden zugehen? Diese schwierige Position hat aber nicht nur Agrecol inne. Eine Mitarbeiterin eines belgischen Hilfswerks bestätigte mir ähnliche Herausforderungen in ihrem Unternehmen.

Ich bin gespannt wie sich Agrecol und die Entwicklungshilfe grundsätzlich in den nächsten Jahren entwickeln wird. Oft fragte ich mich während meinem Aufenthalt hier über Sinn und Unsinn meiner Anwesenheit aber auch generell der Entwicklungshilfe hier und in anderen Teilen der Welt. Was konnte ich während meinen fünf Monaten hier beitragen? Werden die von mir erstellten Dossiers genutzt werden? Sind sie überhaupt nützlich? Aber auch die längerfristigen Projekte hier: Wie oft kollabieren diese sobald die Entwicklungshelfer wieder abziehen? Reicht es aus im Kleinen eine Verbesserung zu bewirken versuchen? Sollte vielleicht eher versucht werden in der Politik den Hebel anzusetzen (siehe Ken Bugul in der NZZ)?

Mein Praktikum geht nun bald zu Ende. Ich habe viel erlebt und gesehen, bin viel gereist und habe versucht das Land mit all seinen Facetten zu erkunden. Besonders bleiben werden mir wohl die Menschen hier. Sie sind herzlich, offen, hilfsbereit und lassen verstehen wieso der Senegal auch „le pays de Teranga“, das Land der Gastfreundschaft genannt wird.

An dieser Stelle möchte ich mich herzlich bedanken bei Agrecol Deutschland, die mir dieses Praktikum überhaupt erst ermöglicht haben. Aber auch dem ganze Team von AgriBio, Agrecol Afrique und besonders Djibril Thiam gilt ein grosses Dankeschön. Ich werde viele unvergessliche Erinnerungen mitnehmen können und mein Horizont hat sich hier stark geweitet. Vielen Dank!

 

4 Antworten to “Rückblick und Abschied”

  1. Ann Waters-Bayer Says:

    Danke, Judith, für deine sehr interessanten Berichte aus dem Senegal. Wir freuen uns darauf, beim Frühjahrstreffen des Vereins mehr über deine Erfahrungen zu hören und sehen.

  2. bernadette reber Says:

    Schön sind deine Eindrücke und Erlebnisse hier zu lesen, so wird denn auch mein Horizont erweitert in der kalten etwas grauen Februarschweiz! Wünsche dir liebe Judith eine gute Zeit und ich freue mich auf einen Austausch.

    Herzlich Bernadette

  3. Tresch Esther Says:

    Danke für deine Einblicke in diese andersartige Welt. Die bunten Stoffe, die Piroge, die Bilder – sie lassen das Grau des Schweizer Mittellandes für kurze Momente vergessen. Heb der Sorg. Bis bald. Liebe Grüsse Esther

  4. Matthias Görgen Says:

    Merci beaucoup liebe Judith für deine informativen Berichte. Mir gefällt besonders die emphatischen Schilderungen und selbstreflektierten Beobachtungen zu „Sinn“ und Möglichkeiten der EZ. Behalte diesen kritischen, einfühlsamen Blick auf die Realitäten der ländlichen Entwicklung. Bis bald, herzliche Grüße – Matthias

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