Eine Woche im Zeichen von Kontrasten und Engagement

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¡Un buen día Amigos!

In diesem Beitrag möchte ich Euch von weiteren Reisen im Namen von Agrecol Andes erzählen. Meine besondere Stellung in der NGO erlaubt es mir nämlich zwischen Kommunikation und meinem favorisierten Bereich der IT zu wechseln. So kann ich meine Ausbildung als Geoinformatiker und Agronom nutzen, um dem Datenchaos Herr zu werden. Intern fallen nämlich einige Datenmengen an, aber auch die öffentliche Webseite kann mit übersichtlicheren Datenbanken und IT Strukturen, Unterstützung gebrauchen. Ausflüge im Namen der Kommunikation sind somit eine wunderbare Abwechslung, welche mich bereits an viele besondere Orte geführt haben. Hier unterstütze ich hinter der Kamera und dokumentiere Events und Interviewe Experten für unsere Sozialen Medien.

Zwei sehr spannende Reisen habe ich so bereits in meiner zweiten Woche, hier bei Agrecol Andes erlebt. So verschlug es das Team, von Agronomen und einigen Repräsentanten der Fraktion der Produzenten auf eine Reise, auf bis zu 3700 Meter hohe Pässe. Mit 12 Vertretern von Agrecol Andes, begleitet von sehr lauter Musik des Busfahrers schlängelten wir uns zuerst durch die Straßen Cochabambas. Aus dem hektischen Rhythmus des bolivianischen Alltags heraus fuhren wir also auf die weniger chaotischen Landstraßen. Doch nicht nur der Lärm, sondern auch der Smog wurden aus steigender Höhe immer erkenntlicher. Ein Bild der Stadt Cochabamba, gezeichnet von grauem Nebel, die die Konturen der Stadt verschleiern, erscheint vor uns:

Zwischen den Straßen schlängeln sich Lastkraftwagen, während Hunde, die von Müll leben, hoffnungsvoll hinter uns herblicken. „Casa en venta“ – Schilder für Häuser zum Verkauf sind allgegenwärtig. Doch nicht nur die Immobilienanzeigen, sondern auch die Gewohnheiten des Fahrers, welcher sich ein Coca-Blatt nach dem anderen in den Mund schiebt, verdeutlichen mir die kulturellen Unterschiede Boliviens.

Schwarze Abgase quellen aus den Lastwagen durch ungefilterte Dieselmotoren, während Hunde uns mit ihren großen Augen verfolgen. Der Anblick von Müll ist allgegenwärtig, und verbrannte Felder zeugen von einer Bewirtschaftungsart, die zwar kurzfristige Ergebnisse bringen mag, aber auf lange Sicht die Nachhaltigkeit gefährdet und außerdem die Luftqualität stark beeinträchtigt. Das Spiel mit dem Feuer scheint hier mehr als eine Metapher zu sein.

Ein See taucht vor meinen Augen auf, umgeben von dichten Regenwolken. Ein Anblick, den ich das letzte mal in Norddeutschland erleben dufte. Ein Stausee, der nicht nur eine angenehme visuelle Abwechslung bringt, sondern auch die nachhaltige Energieversorgung der Region gewährleisten soll. Leider lassen Kommentare meiner Reisegefährten darauf schließen, dass der See einen sehr niedrigen Wasserstand aufweist. Mangelnde Niederschläge, sinkende Wasserspiegel, Probleme, welche überall in diesem Land zu spüren sind. Die Straßen wechseln zwischen Asphalt und unbefestigten Abschnitten, und überall sind Bauarbeiten im Gange. Die Regierung Boliviens investiert kräftig in Infrastruktur, erst einmal ein gutes Zeichen, denke ich.

Wir fahren an müde sich voranschleppenden Lastwagen vorbei, und mit jedem weiteren Coca-Blatt, das der Fahrer hinter seiner Wange versteckt, wird die Vegetation grüner. Kühe kreuzen unbeeindruckt die Straße, während das Klima wärmer und feuchter wird. Die Pflanzen gedeihen, tropische Vögel fliegen über uns hinweg und Männer tragen riesige Bananenstauden aus den Urwäldern heraus.

Wir sind da. Nach vier Stunden (einem Katzensprung nach bolivianischen Größenverhältnissen) hinab in die tropisch, schwülen Tiefen Boliviens, sind wir im Chaparé, dem in Bolivien sehr bekannten Ort Villa Tunari (Bundesland Cochbamba) angekommen. Zum Abendessen gibt es einen Süßwasser-Fisch vom Grill, einer Delikatesse der Tropen, so wird es mir versichert.

Villa Tunari ist ein touristisch geprägter Ort, bekannt durch seine mannigfaltigen Früchte (wie dem Copoazú, der Chirimoya, der Papaya, aber natürlich auch uns besser bekannten Früchten, wie frischer Ananas, Bananen, Pfirsichen und vielem mehr). Hier kann man Rafting-Touren in den vielen reißenden Flüssen erleben und lange Wanderungen in den vielen Naturparks machen und allerlei tropische Tiere und Pflanzen erspähen. Mich verschlug es in den sehr nahegelegenen Parque Machía und ich entdeckte Schmetterlinge in allen erdenklichen Größen und Farben, konnte neben wilden Affen auch riesige Waldameisen und Pflanzen beobachten, ganz abgesehen von einer tollen Aussicht am Ende meiner kleinen Wanderung.

So jetzt aber zur Arbeit, schließlich sind wir nicht nur zum Kokos-Wasser schlürfen in die Tropen gekommen. Während Menschen mit Macheten in den Regenwald verschwinden, komme ich von meiner Mittagspause aus dem Naturpark zurück in den kühlen Saal, wo das Treffen mit Vertretern von Regionalen Produzenten von Nahrungsmitteln, sowie des lukrativen Coca-Strauches1 und Agrecol Andes und weiteren Nicht-Regierungsvertretern statt findet. Hier finden an einem Tag Wahlen zur Überregionalen Vertretung der lokalen Interessen des Bauernverbandes statt, wie auch Workshops zur Erarbeitung von Vermarktungsstrategien. Der biologische Anbau steckt in Bolivien immer noch in den Kinderschuhen, jedoch setzt sich gerade Agrecol Andes stark dafür ein, dass der pestizidfreie Anbau weiter wächst und neue Absatz-Märkte erschlossen werden.

Wir diskutieren, sammeln Ideen und suchen nach Wegen, die Situation der Landwirte zu verbessern. Themen wie Vermarktung, Marktstudien, Meinungen und Wünsche der Produzenten stehen im Mittelpunkt. Ideen sprudeln, Lösungsansätze werden erbrainstormt, und das Netzwerk ökologisch denkender Menschen wächst wieder ein kleinwenig über sich hinaus.

Während draußen die Lastwagen den begehrten Kies aus den Flussbetten abtransportieren, ergiesst sich ein kurzer Platzregen sich über dem Tropendorf. Wir versorgen uns mit frittierten Bananen als Wegzehrung und treten den Rückweg an. Vorbei an reißenden Tropenflüssen und Menschen, die in Flüssen baden.

Keine Geschwindigkeitsbegrenzungen, warmer Regen und Kinder, die tropische Säfte verkaufen – die Reise hat wieder einige Eindrücke hinterlassen. Wir fahren an mächtigen, auf Lkws geschnürten Tropenhölzern vorbei. Bolivien, ein kinderreiches Land, zeigt seine Facetten, von Häusern, die teilweise kaum als solche erkennbar sind, bis zur einsetzenden Dunkelheit um Punkt 18:00 Uhr.

Während wir wieder die Andenberge erklimmen, prägen nasse Straßen und langsame Straßen-Walzen unsere Rückreise. Mit einem Sack voll Kokosnüssen erreichen wir wieder unseren Ausgangspunkt Cochabamba Innenstadt. Ein Abendteuer nach dem Ande(re)n.

  1. An dieser sollte wohl erwähnt werden, dass die Bevölkerung der Andenregion den Coca-Strauch als Heilungs- und Genussmittel nutzt und die Blätter der Pflanze beispielsweise als Tee (Mate de Coca), oder auch zum Kauen verwendet. Der Anbau und Konsum ist hier also legal und trotz internationaler Uneinigkeiten ist der mehrjährige Coca-Strauch (Erythroxylum coca) tief in der Kultur verwurzelt und wesentlicher Bestandteil von religiösen Zeremonien und dem Alltag der Bolivianer. ↩︎

Eine Antwort to “Eine Woche im Zeichen von Kontrasten und Engagement”

  1. Jochen Says:

    Hallo Johannes,
    vielen Dank für Deinen lebendigen Bericht. Interessant, in wie viele Bereiche Du hinein schauen kannst. Vielen Dank auch für Deine Recherche zu meinen Fragen aus dem letzten Beitrag.

    Sei gegrüßt,

    Jochen

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