Archive for Oktober 2023

Einblicke in die Landwirtschaftliche Realität Boliviens: Zwischen Anbaupraktiken, Geldverteilung und Umweltschutz

31. Oktober 2023

¡Buenos Días Amigos!

Heute möchte ich Euch mal einen weiteren Einblick geben in meine Erlebnisse, welche ich über die letzten Wochen gesammelt habe. Dabei geht es um verschiedenen Projekte, welche bei Agrecol Andes stattfinden, sowie persönliche Eindrücke und Erfahrungen in meinem Leben hier in Lateinamerika. Geschichten, die das Leben schreibt sozusagen:

Ein neuer Tag bricht an, als wir uns auf den Weg nach Pojo (ausgesprochen: Pocho) machen. Pojo ist eine kleine Stadt / Dorf der Gemeinde Cochabamba – eine Tages-Reise, welche mich mit den vielfältigen Facetten der bolivianischen Landwirtschaft in Berührung bringen wird. Mit einer kräftigen Verspätung geht es diesmal in den Osten Cochabambas, wie immer über Pässe welche an den 4000 Höhenmetern kratzen. Zügig zeugen die sich erstreckenden Hügel von den vielfältigen Anbauaktivitäten der Region: Bohnen, Kartoffeln, Mais werden auf den steilen Hängen angebaut und teilweise künstlich bewässert. Die Menschen arbeiten fast ausschließlich ohne Maschinen – der Duft von Eukalyptus liegt in der Luft.

Während wir unterwegs sind, passieren wir den riesigen Kartoffelmarkt „Lopa Mendoza“, der sich auf über 3500 Metern Höhe befindet. Ein eindrucksvoller Anblick, der mir die Bedeutung der Landwirtschaft für die lokale Bevölkerung noch deutlicher vor Augen führt. Ein Teil der Strecke ist von Hühnermist Bergen geprägt, die von Tieren oder kleinen und sehr alten Traktoren eingebracht werden. Der Rauch von Bränden steigt auf – Brände, die absichtlich gelegt werden, um die Böden „schneller“ zu bewirtschaften. Obwohl diese wenig nachhaltige Methode verboten ist, sind die Spuren allgegenwärtig, sowohl in der Landschaft als auch in der Luft.

Nach 4 Stunden Fahrt kommen wir an, bereits wird in einer informellen Runde über die Geldverteilung der Regierung an die verschiedenen Regionen Boliviens diskutiert. Hier wird gemeinsam über die Verteilung dieser Mittel gestritten, ein Prozess, der sich oft sehr in die Länge ziehen kann. Die staatlichen Devisen aus Öl und Gas-Verkäufen werden weniger und das merken auch die Menschen in Pojo. Der Raum ist stickig und erfüllt vom Geruch von Cocablättern, ein wiederkehrendes Element in der bolivianischen Kultur. Diejenigen, welche zuerst kommen, sichern sich einen Sitzplatz. Draußen drängen sich Menschen, um ebenfalls mitentscheiden zu dürfen.

Inmitten dieser Atmosphäre wird auch der Leguminosenbaum, auf Quechua: „Tara“ (lat. Tara spinosa) vorgestellt. Diese Stickstoff fixierenden Bäume verbessern die Bodenqualität und werden als Empfehlung für die anwesenden Landwirte präsentiert. Tara kann in Kombination mit Kartoffeln oder anderen Pflanzen angebaut werden und so ein zusätzliches passives Einkommen generieren. Genossenschaftliche Teilhabe an der Weiterverarbeitung, wie durch „Boltrade Bolivia„, ermöglicht den Bauern Unabhängigkeit und ein zusätzliches Einkommen.

Die nächste Präsentation erfolgt auf Quechua, begleitet von wenigen Worten auf Spanisch. Es wird deutlich, wie wichtig es ist, die Informationen in einer Sprache zu präsentieren, die jeder versteht, insbesondere in einer Region, in der Bildung nicht immer zugänglich ist.

Als lösungsorientierte Vermittler zwischen Regierung, internationalen Geldgebern und dem Agrarsektor Boliviens sind wir hier, um Gesetzesentwürfe und Berichte vorzustellen und uns darüber auszutauschen. Konkret haben wir ein neues Gesetz zum Schutz von kritischen Wasser-Wiederaufladezonen (Spanisch: Recarga Hydrica) vorgelegt und den gewählten Bevölkerungsvertretern vorgeschlagen. Dieser interaktive Prozess ermöglicht den Menschen vor Ort, ihre Stimme zu erheben und sich einzubringen. Die Atmosphäre ist geprägt von Offenheit und Interesse, trotz der häufig begrenzten Bildung. Die Präsentation wird auch in Quechua übersetzt, um sicherzustellen, dass sie wirklich alle verstehen. Ich interviewe einen lokalen Ingenieur und den Generalsekretär der örtlichen Gemeinde über die aktuellen agronomischen Herausforderungen. Wie üblich wird die Problematik der anhaltenden Dürren, sowie die Notwendigkeit des Schutzes dieser Wasser-Wiederaufladezonen hervorgehoben. Diese sind nämlich essentiell, um besonders in Zeiten von Dürreperioden die Wasserversorgung der Bevölkerung und ihrer Landwirtschaft zu sichern. Der Schutz funktioniert hierbei beispielsweise durch den Verbot von Versiegelung, sowie dem Erhalt lokaler Flora. Die regionalen Pflanzen sind gut an die Dürren angepasst und schützen den Boden vor dem Austrocknen. Sie halten den Boden mittels ihrer Wurzeln und der geförderten Bodenbiologie durchlässig für kommende Regenfälle. Der Regen lädt so die unterirdischen Wasservorkommen auf und fördert die Verfügbarkeit der Regenfälle.

Während der Tag sich dem Ende zuneigt und wir uns auf den Heimweg machen, zeigt sich erneut die Fragilität der Infrastruktur. Benzinmangel aufgrund nicht belieferten Tankstellen und stehengebliebene Lkw verdeutlichen, wie prekär die Situation sein kann. Doch selbst inmitten dieser Herausforderungen bleibt die Natur präsent. Ein „Zoro Andino„, der Andenschakal (lat. Lycalopex culpaeus), kreuzt unseren Weg. Autos ganz ohne Kennzeichen begegnen uns – eine Normalität auf dem Land, welche den informellen Charakter Boliviens erneut zum Ausdruck bringt. Mit dem letzten Benzin-Tropfen fahren wir die dritte Tankstelle auf dieser Strecke an. Wir atmen auf – sie verkaufen Benzin.

Tupanchikkama – Quechua für: Wir sehen uns bald wieder!

Ankommen in Thiès

11. Oktober 2023

Salam aleykum!

Liebe Grüße aus dem Senegal!
Mein Name ist Leo Zehl und ich mache gerade Praktikum bei AGRECOL Afrique in Thiès. Ich werde euch in den kommenden Monaten ein wenig von meinen Erfahrungen hier berichten.

Ich bin mittlerweile seit ca. zweieinhalb Wochen im Senegal. Anfangs war alles noch sehr neu für mich und ich habe eine Weile gebraucht, um mich an das Leben zu gewöhnen. Langsam komme ich aber in den Rhythmus der Menschen hier rein und fange an immer mehr Wolof zu verstehen und zu sprechen. Die Menschen hier sind sehr freundlich und offen. Leider sprechen einige sehr wenig Französisch, was die Kommunikation erschwert aber auch in diesen Situationen lässt sich immer ein Weg finden. Das Essen ist auch sehr lecker und es gibt glaub ich, was das angeht auch noch einiges, was ich noch nicht probiert hab. Das Nationalgericht Thieboudièn (Reis mit Frisch) habe ich schon schätzen gelernt.

Bei Agrecol Afrique wurde ich sehr herzlich willkommen geheißen. Das ganze Team ist sehr offen und lustig und ich habe mich hier schnell eingefunden. Am nettesten finde ich eigentlich, dass morgens alle immer in jedes Büro gehen, um den KollegInnen einen schönen Tag zu wünschen. Auch das gemeinsame Mittagessen und Teetrinken ist sehr verbindend. Mir wurde sogar auch schon die traditionelle Zubereitung des Tees beigebracht. Bald kann ich auch mal den Teedienst fürs Team übernehmen.

Meine Aufgabe bestehen momentan noch aus mehr Büroarbeit, aber es ist bereits geplant, dass ich nächsten Monat mit AgriBio Services viel Zeit im Freien verbringen werde. Momentan arbeite ich an einem Erntemenge-Vorhersageprogramm, mit welchem Agrecol Afrique gerne die teilnehmenden Bio-ProduzentInnen besser über Anbauzeitpunkte und Kulturwahl beraten will. Das Programm schreibe ich in Excel und fülle es mit den zugehörigen Daten der ProduzentInnen.

Sonst habe ich die Stadt ein wenig erkundet. Vor allem der große Markt ist ein Ort, den ich am Wochenende regelmäßig aufsuche. Hier gibt es allerhand zu entdecken. Aber auch in meinem Wohnviertel gibt es einige gute Restaurants und z.B. eine sehr gute Patisserie. Nächstes Wochenende bin ich auf einer Hochzeit eingeladen, darauf bin ich schon sehr gespannt. 😊